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07.03.2024 | Bolivien, Menschenrechte und Demokratie

Überleben auf dem Land

Gemeinsam mit Nina Dimitri reiste ich nach Bolivien, um Einblick zu gewinnen in die Arbeit von Comundo-Fachperson Marie Rappaport mit den indigenen Völkern von Ayata. In dieser Gemeinde auf 3'400 Metern Höhe oberhalb von La Paz trafen wir Romina, Asunta und Ernesto. Sie sind zuversichtlich und voller Hoffnung für ihre Zukunft und erzählten uns, warum das Leben in Ayata für sie trotz harter Lebensbedingungen besser ist als in der Stadt. Der Schlüssel dazu ist Bildung.

Von Priscilla De Lima (Redaktorin Comundo)

Die Arbeit der Comundo-Partnerorganisation "Fundación Machaqa Amawta" zur Förderung von Frauen und Jugendlichen zeigt Früchte: Junge Menschen, die früher nach der Sekundarschule systematisch in die Stadt abwanderten, kehren nun zurück. Sie bewirtschaften das Land und lernen die Techniken ihrer Vorfahren. Zusätzlich lernen sie aber auch, einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft zu leisten.

"Früher sprachen bei Versammlungen nur die Männer", erzählt Romina Yupanqui Marca. "Nach und nach lernten wir Frauen, nach vorne zu kommen, unseren Namen in der Öffentlichkeit und mit erhobenem Kopf zu sagen! Am Anfang bin ich immer ganz rot geworden. Aber jetzt habe ich meine Angst verloren."

Romina ist eine Waise. Ihre Mutter starb bei der Geburt und sie wuchs bei ihrer Grossmutter und ihren Onkeln auf. "Aber die haben mich nicht gut behandelt", erinnert sie sich. "Deshalb bin ich so früh in die Stadt gegangen und habe eine Familie gegründet. Ich wünsche mir für meine Kinder eine Ausbildung und einen Beruf, damit sie nicht so leiden müssen wie ich. Wer weiss, vielleicht werden sie ja Anwälte oder Ingenieure..."

 


 

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Mit Ihrer Spenden schenken Sie Jugendlichen und Frauen auf dem Land ein selbstbewussteres Leben; Sie helfen ihnen, für ihre Rechte einzustehen.

So kann Ihre Spende bswp. helfen:  

 

Schon 35 CHF helfen mit, eine Führungsausbildung für Frauen in abgelegenen ländlichen Gemeinden zu organisieren.

 

75 CHF ermöglichen eine Reihe von Workshops zu Anbau- und Zuchttechniken, um die Nahrungsmittelversorgung der Familien zu verbessern.

 

Mit 150 CHF wird die Arbeit von Fachleuten wie Marie Rappaport finanziert, die indigene Gemeinschaften beim Aufbau einer selbstbestimmten Zukunft unterstützen.

«In Ayata muss ich keinen Hunger mehr leiden! In der Stadt muss man für alles bezahlen. Hier aber habe ich meinen eigenen Garten und ernte, was ich will. Ich koche meine eigene Suppe und geniesse frische, gesunde Lebensmittel.»

Romina Yupanqui Marca, Einwohnerin von Ayata

 

Romina Yupanqui Marca züchtet in den Anden Perus Meerschweinchen Foto: Wara Vargas
Romina Yupanqui Marca züchtet in den Anden Perus Meerschweinchen Foto: Wara Vargas

 

Die universelle Sprache der Musik verbindet uns alle

Italienisch, Spanisch, Deutsch, Quechua, Aymara – unsere Reise nach Bolivien erforderte vielfältige interkulturelle Fähigkeiten. Doch glücklicherweise hatten wir eine gemeinsame Sprache, die alle Grenzen überwindet: die Musik. Nina Dimitri und Marie Rappaport nutzten ihre Instrumente und Stimmen, um mit den Menschen, die wir trafen, in Kontakt zu treten und tiefe Verbindungen zu schaffen. Lassen Sie sich von ihren Liedern berühren und tauchen Sie ein in die Kraft der Musik, die uns alle vereint.
Von Priscilla de Lima, Comundo-Redakteurin

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Asunta Tapia Amaza
Asunta Tapia Amaza
Ernesto Flores Mamani
Ernesto Flores Mamani

Nachdem sie ihre Heimatgemeinden jahrelang verlassen hatten, um in der Grossstadt Arbeit und ein besseres Leben zu suchen, kehrten Asunta Tapia Amaza (41) und Ernesto Flores Mamani (32) zurück, um ihren alten Eltern zu helfen. Was zunächst als vorübergehende Lösung gedacht war, entwickelte sich schnell zu einem Neuanfang.


Sie beide leben derzeit in Ihren Heimatgemeinden, nachdem Sie eine Zeit lang in der Stadt gelebt haben. Warum sind Sie zurückgekommen? 

Ernesto Florez Mamani (EFM): In Sayhuani aufgewachsen, zog ich in die Stadt, um zu studieren. Mein Studium konnte ich nicht abschliessen, gründete stattdessen eine Familie. 2019 riefen meine betagten Eltern an, sie drohten ihre Landrechte zu verlieren. 

Asunta Tapia Apaza (ATA): Ich kam zurück nach Vitocota, um meinen Eltern zu helfen. Ich dachte, ich würde nur ein paar Jahre bleiben, aber stattdessen haben wir ein Haus gebaut. Gemeinsam mit meinem Mann nahmen wir die Verantwortung als lokale Autoritäten war.

 

«Sie lehrten mich, dass jeder Mensch,
unabhängig von Grösse, Figur oder Herkunft,
Liebe und Respekt verdient!»
 

Was haben Sie in den Schulungen der Comundo-Partnerorgan "Fundación Machaqa Amawta (FMA)" gelernt?

ATA: Ich lernte viel Nützliches: die Herstellung von natürlichem Dünger und Insektiziden, Saat und Pflanzung, Meerschweinchenzucht und die Organisation des Arbeitstages. Doch meine wichtigste Lektion war die Stärkung meiner Selbstachtung und meines Verständnisses für Frauenrechte.

Anfangs begegnete man mir in der Gemeinde mit Missachtung. Als "kleines Mädchen" wurde ich nicht ernst genommen, was mich oft traurig machte. Doch die Schulungen veränderten mein Selbstbild. Sie lehrten mich, dass jeder Mensch, unabhängig von Grösse, Figur oder Herkunft, Liebe und Respekt verdient. Diese Erkenntnis hat mein Leben grundlegend verändert. Beleidigungen lasse ich nicht länger über mich ergehen.

EFM: Die Teilnahme an den Workshops von FMA war eine wertvolle Erfahrung. Sie bestärkten uns darin, unsere Identität durch traditionelle Kultur zu stärken. In unserer Provinz spielen Textilien eine besondere Rolle. Es ist wichtig, dass junge Menschen ihre traditionelle Kleidung selbstbewusst in der Stadt tragen können. Als indigene Person trage ich meinen Kopf erhoben und bin stolz auf meine Herkunft.

Was bedeutet es für Sie, eine Führungsperson zu sein?

ATA: Gemeinsam mit meinem Mann tragen wir den Titel Sullka Jilakata. In dieser Rolle fungieren wir als Vermittler und Ratgeber für die Gemeinschaft. Vergleichbar mit Elternfiguren wenden sich die Bewohner:innen bei Konflikten an uns, um Lösungen zu finden. Ob es sich um Streitigkeiten zwischen Nachbarn handelt oder um Probleme mit freilaufenden Tieren, wir bemühen uns um eine friedliche und gerechte Lösung. 

EFM: Als Führungsperson liegt es mir am Herzen, starke Partnerschaften zu schmieden. Dabei verfolge ich nicht nur das eigene Wohl, sondern das aller Menschen. In den abgelegenen Regionen unseres Landes ist Unterstützung dringend notwendig. Als Nation sollten wir enger zusammenrücken und gemeinsam für eine bessere Zukunft aller kämpfen.

Warum wollen Sie jetzt hier bleiben?

ATA: Früher glaubte ich, hier gäbe es kein Leben. Jetzt aber sehe ich, dass wir wie im Schlaf gelebt haben. Die FMA hat uns die Augen geöffnet und uns gezeigt, welche Möglichkeiten wir hier haben. Wir können Gemüse, Mais und Hirse anbauen, Hühner züchten und verkaufen, sogar Meerschweinchen kaufen. So lässt sich ein Einkommen erzielen. Es gibt ein Leben hier! Ohne die FMA wäre ich wohl gegangen, hätte in der Stadt oder einer anderen Provinz gearbeitet, oder vielleicht sogar in Brasilien.

EFM: In der Jugend fühlten wir uns oft verletzlich und ungehört. Unsere Stimmen wurden kaum wahrgenommen, was zu Frustration und einem Gefühl der Ohnmacht führte. Die Gründung der FMA war ein Weckruf für uns. Endlich gab es eine Institution, die sich für unsere Belange einsetzte und uns Gehör verschaffte. Wir haben bewiesen, dass wir nicht nur in der Schule, sondern auch im Alltag ausserhalb der Schule lernen können. Jede Begegnung, jede Erfahrung bietet neue Lernmöglichkeiten und trägt zu unserer persönlichen Entwicklung bei.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft und die Ihrer Liebsten?

EFM: Ich weiss, dass ich nicht genug gelernt habe, dass ich es in der Stadt nicht geschafft habe und dass ich auf meinem Weg Schwierigkeiten hatte. Aber ich bin noch jung, und ich könnte immer noch ein ausgebildeter Fachmann werden. Wer weiss, vielleicht bin ich sogar eines Tages Bürgermeister. Das wünsche ich mir auch für meine Kinder: dass sie gute Menschen werden, die sich für die Gesellschaft einsetzen und gut vorbereitet sind. Sie müssen lernen und Werte haben.

ATA: Ein Amt auszuüben ist eine grosse Verantwortung, die mit viel Sorge verbunden sein kann. Ich wünsche mir mehr Zeit, um mich wieder um meine eigenen Belange kümmern zu können. Und meine Kinder? Sie sollen studieren! Agronomie wäre zum Beispiel ein möglicher Studiengang, und sie könnten danach hier in der Region arbeiten.

 

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Fachperson

Marie Rappaport
Ethnologin

E-Mail

Eckdaten

Dauer
13.07.2023 - 31.08.2024

Region
La Paz / Bolivien

Thema
Menschenrechte und Demokratie | Gesundheit

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