Jetzt spenden
06.09.2023 | Kenia, Bildung

Erfahrungen aus einem 3-monatigen Kurzzeiteinsatz

Insgesamt war ich 14 Jahre in einem Sonderschulinternat in Graubünden tätig. Seit fünf Jahren arbeite ich nun als freischaffender Fotograf und Fotojournalist. Beide Tätigkeitsgebiete konnte ich während meiner drei Monate in Kenia sinnvoll einsetzen. 

Von Mayk Wendt

Bereits nach dem Studium habe ich mich mit dem Gedanken beschäftigt, irgendwann einmal in der Entwicklungszusammenarbeit tätig zu sein. Vermutlich geht das Interesse auf das vielseitige Engagement meiner Mutter zurück. Nicht nur als Politikerin engagierte sie sich für benachteiligte Menschen. Unser Elternhaus wurde durch und durch von humanistischen Gedanken geprägt. «Mann und Frau muss helfen, wo Hilfe benötigt wird», sagte meine Mutter stets. Auch der Vater lebte uns vier Kindern das vor. 

«Mann und Frau muss helfen, wo Hilfe benötigt wird» 

Mayk Wendt

Die passende Organisation

Hilfswerke und Nicht Regierungs-Organisationen (NGOs) gibt es wie Sand am Meer. Neben staatlichen Diensten wie der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), zahlreichen österreichischen und deutschen Diensten, stiess ich vor gut fünf Jahren auf die Organisation Comundo. Leider kam damals ein geplanter längerer Einsatz nicht zustande. Kürzlich vernahm ich von einem neuen Angebot von Comundo: Dreimonatige Kurzzeiteinsätze. Dies schien für mich in der heutigen Situation sehr passend und mit der Arbeit als Selbständiger einfacher realisierbar. 

Warum die Wahl auf Kenia fiel

Mit mehr als 17 Millionen Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, zählt Kenia zu den ärmeren Ländern der Welt. Wenn ich an Kenia denke, kommen mir Armut und Dürreperioden in den Sinn. «Man muss helfen, wo Hilfe benötigt wird», höre ich in Gedanken meine Mutter sagen. Ich denke aber auch an den Anbau von Tee und Kaffee, einzigartige Nationalparks und die weltbesten Ausdauerathleten. Dass ich mich für einen Kurzeinsatz in Kenia interessierte, hatte am Ende aber auch ganz praktische Gründe. Die Sprache. 

Nein, nicht weil mein Swahili so grossartig ist, sondern weil ich fliessend Englisch spreche. Erst später sollte ich herausfinden, dass es damit aber nicht ganz so einfach sein sollte. Ein weiterer Grund war zudem, dass ich meine Ausbildung und meine langjährige Berufserfahrung im Bereich der Pädagogik habe. Rund 14 Jahre war ich im sonderpädagogischen Bereich tätig. Davon sieben Jahre in der Leitung. Die Ausschreibung des North Coast Medical Training College (NCMTC) an Kenias Nordküste schien daher wie für mich gemacht. 

Zu schnell gewachsen

Das NCMTC wurde vor mehr als 13 Jahren von einer niederländischen Ärztin zusammen mit ihrem kenianischen Mann gegründet. Damals begann man mit 12 Studierenden. Heute sind es mehr als 1300 junge Kenianerinnen und Kenianer, die im Bereich Pflege und Gesundheit, in der Orthopädie und in der Chirurgie eine Ausbildung absolvieren. Die Fachhochschule ist in kürzester Zeit enorm gewachsen, weshalb Anpassungen bei den Organisationsstrukturen und Richtlinien notwendig wären. Aber auch der Bereich Kommunikation und Dokumentation hatte grossen Aufholbedarf. 

Langfristige Strukturen schaffen

Auch wenn Kenia nicht mit Ländern des globalen Nordens verglichen werden kann, wurde ich in vielen Bereichen am College positiv überrascht. Das College hat einen mehr als passablen Internetauftritt, diverse Social-Media Accounts und eine funktionierende Kommunikationsabteilung. Doch es fehlt an Strukturen und an mittel- und langfristiger Planung. Als ich mich erkundigte, in welchen Rhythmen die Sozialen Medien bespielt werden, war klar, dass es keine Rhythmen, so wie ich sie als Europäer verstehe, gibt. Auf meine Frage, ob es Bild- und Filmmaterial von vergangenen Anlässen gibt, sodass beispielsweise eine anstehende Graduation beworben werden kann, war ebenfalls klar, dass man darauf nicht problemlos zugreifen kann. So haben wir dann für die einzelnen Programme und Ausbildungsgänge des Colleges gemeinsame Fotoshootings geplant und durchgeführt. Da die Materialien möglichst vielseitig und unterschiedlich verwendet werden sollen, braucht es Material in verschiedenen Formaten. Mit einfachen Tricks konnte ich hier zeigen, dass mit wenig Aufwand das Bild später sowohl digital als auch für einen analogen Banner benutzt werden kann. Somit konnte ich während meiner Anwesenheit stark die Kommunikations- und Marketingabteilung unterstützen und auch bei der Erarbeitung eines Krisenkommunikations-Konzepts mithelfen.

«fa pachific» oder «Take it easy”

Vor meiner Ausreise habe ich zahlreiche Kurse bei Comundo absolviert. Einige waren obligatorisch. Einige, wie «Interkulturelle Kommunikation», waren freiwillig und ich besuchte sie gleich mehrmals. Das erwiese sich schon nach wenigen Tagen im Einsatzland als unentbehrlich, ja sogar zwingend notwendig. Wie gehen die Menschen in dieser Kultur mit Feedback um? Was bedeutet es, wenn eine Mitarbeiterin sagt, sie hätte drei Mütter? Und warum ist es sinnvoll immer vom offerierten Essen zu probieren, ganz gleich, was es ist? 

Natürlich habe ich vorab auch vom «pole pole» Lebensstil gehört. «Take it easy» würde man auf Englisch sagen oder «fa pachific» auf Rätoromanisch. Und plötzlich wartest du aber täglich mehrere Stunden vor einem Konferenzraum. «Wenn die Besprechung auf 8:30 Uhr angesetzt ist, heisst das bei uns», erklärt mir eine Mitarbeiterin nach zwei Wochen, «dass wir sicher nicht vor 10 Uhr beginnen.» So habe ich oftmals mehrere Stunden mit Warten zugebracht. Nicht vergebens. Denn oft ergaben sich auch so wunderbare Begegnungen. 

Auch dafür bleibt Zeit

Natürlich haben mich die einzigartigen Landschaften entzückt. Vor allem jene auf der Rückseite der üblichen Postkartenmotive. Im Hinterland Kenias, abseits aller üblichen Touristenrouten habe ich abgelegene Dörfer und offene, freundliche Menschen getroffen.  Während der drei Monate bleibt auch dafür Zeit. Begegnungen mit der Natur und mit den Menschen. Ich durfte zahlreiche Mijikenda (Menschen der Küste) treffen. Einfache Fischer, Bauern und wunderbare Köchinnen. Auch das war eine Bereicherung. Drei Monate sind genug Zeit, um sinnvoll tätig zu sein. Daran habe ich keine Zweifel. Drei Monate sind aber auch kurz. Das Eingewöhnen an die fremde Kultur und das Anpassen an das Klima benötigen Zeit. Einen längeren Einsatz kann ich mir jetzt aber mehr denn je vorstellen. 

Von Mayk Wendt | 6. September 2023 | Kenia

 

0 Kommentare

Kommentar schreiben

Teilen Sie uns Ihre Meinung mit!

 


Mayk Wendt

Sozialarbeiter / Freier Journalist

Mayk Wendt war von März bis Mai in einem Kurzzeiteinsatz in Kenia. Hier unterstützte er das North Coast Medical Training College u.a. in diversen Kommunikationsprojekten. Daneben besuchte der freischaffende Journalist diverse Comundo-Fachleute in Kenia und verschaffte sich so einen persönlichen Einblick in deren Arbeit.