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23.10.2025

Zwischen Kulturen – lernen und gemeinsam wachsen

Bei der Zusammenarbeit in einem Auslandeinsatz treffen verschiedene Weltbilder, Lebensformen sowie Denk- und Handlungsweisen aufeinander. Was vorher als selbstverständlich angesehen wurde, gerät ins Wanken. Welche Chancen und Herausforderungen birgt interkulturelle Zusammenarbeit? Und wie kann man sie erfolgreich gestalten? Darüber haben wir mit Cora Jüttemann gesprochen. Sie begleitet bei Comundo angehende Fachleute und engagierte sich selbst für drei Jahre in Sambia.

Cora Jüttemann während des Vorbereitungskurses für angehende Fachleute im RomeroHaus Luzern

Was ist gemeint mit interkulturellem Lernen?

Cora Jüttemann: Interkulturelles Lernen heisst nicht (nur), möglichst viel über andere Kulturen zu erfahren, sondern in Beziehung zu treten und sich selbst als geprägt wahrzunehmen. Der Prozess beginnt oft mit Irritation: wenn Dinge nicht so funktionieren, wie man es kennt. In diesen Momenten liegt ein grosses Lernpotenzial – nicht nur über das Gegenüber und den neuen Kontext, sondern auch über die eigenen blinden Flecken seiner Persönlichkeit. Durch dieses kritische Hinterfragen entwickelt man Verständnis für die andere Kultur sowie auch grundlegende Fähigkeiten für eine erfolgreiche Zusammenarbeit: z.B. Empathie, Offenheit, Anpassungsfähigkeit.

Was kann man lernen durch kulturelle Unterschiede?

Cora: Dass die eigene Sichtweise nicht die einzige ist. Klingt banal, ist aber tiefgreifend. Ich habe in meinem Einsatz oft gemerkt, wie schnell ich aus meiner Prägung heraus interpretiere und wie entlastend es sein kann, diese Brille auch mal abzusetzen. Kulturelle Unterschiede fordern heraus, aber sie öffnen auch den Blick: für andere Lebensrealitäten, andere Prioritäten, andere Formen von Wissen. Dabei geht es nicht darum, sich selbst aufzugeben oder beliebig zu werden. Sondern darum, in einen Dialog zu treten, mit Offenheit, aber auch mit der Bereitschaft, sich selbst zu hinterfragen.

Für mich hat sich zum Beispiel der Blick auf Wissen und Zugehörigkeit grundlegend verändert. Ich bin mit der Vorstellung aufgewachsen, dass Expertise vor allem durch Abschlüsse und individuelle Leistung definiert wird. Im Einsatz habe ich jedoch erfahren, wie wertvoll gemeinschaftlich geteiltes Erfahrungswissen sein kann und dass Zugehörigkeit vor allem durch Beziehungen entsteht, nicht durch Position. Diese Erkenntnisse haben mir geholfen, meine Vorstellungen von Anerkennung und Rolle neu zu betrachten.

Welche interkulturellen Kompetenzen braucht es für einen erfolgreichen Einsatz?

Cora: Sich in einem interkulturellen Kontext zu bewegen, bedeutet oft, sich in Situationen wiederzufinden, die man so nicht kennt und trotzdem handlungsfähig zu bleiben. Das braucht nicht nur Flexibilität, sondern auch die Fähigkeit, genau hinzuschauen, bevor man handelt. Wer schnelle Lösungen sucht, übersieht oft, was eigentlich gebraucht wird. Beziehungen aufzubauen ist zentral, aber nicht im Schnelldurchlauf. Vertrauen entsteht langsam und genau darin liegt ihre Stärke. Man muss auch aushalten können, wenn etwas nicht sofort aufgeht oder klar wird. Für mich ist diese Art von Kompetenz weniger eine Technik als eine Haltung: aufmerksam, geduldig, bereit, sich immer wieder neu einzulassen.
 


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Cora Jüttemann

Gewinnung und Ausbildung von Fachleuten

Tel. +41 58 854 11 57

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Welche Rolle hat eine Fachperson während ihres Einsatzes?

Cora: Fachperson zu sein bedeutet, Expertise und eine andere Perspektive mitzubringen, aber nicht als fertige Lösung. Es geht darum, Wissen kontextsensibel und gemeinsam nutzbar zu machen. In einem guten Einsatz verschwimmen die Rollen: Wer begleitet und wer lernt, ist nicht immer eindeutig. Verschiedene Perspektiven treffen aufeinander und gemeinsam kann etwas Neues entwickelt werden. Wer glaubt, als Fachperson nur zu geben, übersieht, wie viel man selbst empfängt und lernt.

Wie kann man sich vorbereiten? Was wird im Vorbereitungskurs von Comundo vermittelt?

Cora: Neben praktischen Fragen geht es im Vorbereitungskurs vor allem um Haltung: Welche Bilder habe ich im Kopf, wenn ich an mein Einsatzland denke? Wie prägt mich mein kultureller Hintergrund und wie gehe ich mit Machtverhältnissen um, die in jedem internationalen Einsatz mitschwingen? Dazu gehört auch der bewusste, sensible Umgang mit kolonialem Erbe, also mit Vorstellungen, Mustern und Strukturen, die bis heute fortwirken – häufig unbemerkt und ohne, dass wir sie sofort erkennen. Diese Auseinandersetzung ist kein Punkt auf der To-do-Liste, der abgehakt werden kann, sondern ein laufender Prozess.

Wie fliessen interkulturelle Erfahrungen später in die berufliche und persönliche Weiterentwicklung ein?

Cora: Ich glaube, wer einmal erlebt hat, wie relativ das vermeintlich Selbstverständliche ist, kann nicht mehr unreflektiert durchs Leben gehen. Interkulturelle Erfahrungen erweitern nicht nur das Wissen, sondern verschieben Perspektiven und zwar nachhaltig.

Wie verändert sich das Leben durch einen Einsatz? 

Cora: Wie sich das Leben durch das Engagement im Ausland verändert, ist sehr individuell. Bei manchen verschiebt sich der Lebensmittelpunkt, geografisch oder beruflich. Andere kehren in ihr gewohntes Umfeld zurück. Aber bei allen hinterlässt der Perspektivenwechsel etwas. Ein Einsatz wirkt allerdings nicht wie ein Schalter, der plötzlich alles verändert. Es ist eher eine leise, aber nachhaltige Verschiebung: Was vorher selbstverständlich war, wird hinterfragt. Prioritäten sortieren sich neu. Nicht weil man dazu gezwungen wird, sondern weil sich der Blick verändert. Einiges verliert an Bedeutung. Und anderes wird wichtiger: Dinge, die vorher vielleicht beiläufig waren, werden plötzlich bewusster wahrgenommen. Beim Konsum zum Beispiel stellt man sich eher die Frage: Brauche ich das wirklich? Und welchen realen Wert hat dieses Produkt eigentlich über den reinen Geldpreis hinaus?

Du hast selbst einen Einsatz geleistet. Was hat sich in deinem Leben verändert?

Cora: Ich bin ruhiger geworden. Nicht im Sinne von passiv, sondern klarer darin, was mich antreibt und welche Werte und Ziele für mich zweitrangig sind. Mein Blick auf globale Ungleichheiten ist differenzierter, aber auch dringlicher geworden. Und ich habe gelernt, dass ich Teil des Problems bin. Und gleichzeitig Teil dessen, was sich verändern lässt. Wandel muss nicht immer laut sein. Manchmal fühlt man sich als einzelner Mensch ohnmächtig, besonders angesichts der grossen Ungleichheiten in der Welt. Und dann scheint es, als wäre man zu klein, um etwas zu ändern. Doch wenn viele sich bewegen und aktiv werden, verschiebt sich auch das, was vorher als unverrückbar schien.

Für mich war der Einsatz nicht nur eine prägende Lebenserfahrung, er war auch mein Einstieg in die internationale Zusammenarbeit. Heute darf ich bei Comundo neue Fachpersonen gewinnen und sie auf dem Weg in ihren Einsatz begleiten. So schliesst sich für mich ein Kreis und öffnet sich gleichzeitig wieder neu.

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