Gibt schon bald der globale Süden den Ton an?
Comundo organisierte am 1. Dezember ein Fachsymposium zum Thema «Gibt schon bald der globale Süden den Ton an? - Veränderte Rollen in der Entwicklungszusammenarbeit». Die Veranstaltung wurde im Romerhaus Luzern live durchgeführt und online übertragen.
Einleitend führte Martin Schreiber vom Schweizerischen Verband für Personelle Entwicklungszusammenarbeit (Unité) ein Live-Interview mit unserem chilenischen Gast, Juan Jacobo Tancara. Tancara bilanzierte seinen Süd-Süd-Einsatz in Peru mit Querverweisen auf die aktuelle Situation in Chile und die Internationale Zusammenarbeit.
Podium mit prominenter Besetzung und kontroversem Inhalt
Am anschliessenden Podiumsgespräch wurden die Herausforderungen der Entwicklungszusammenarbeit mit Blick auf die Agenda 2030 diskutiert. Dabei wurden unterschiedliche Gesichtspunkte beleuchtet und vertreten durch:
- Ruth Huber, Vizedirektorin DEZA, Chefin Bereich Ostzusammenarbeit;
- Bernd Nilles, Präsident Alliance Sud und Geschäftsleiter Fastenopfer (Fastenaktion);
- Juan Jacobo Tancara, chilenischer Theologe und Literaturkritiker, Comundo-Fachperson im «Süd-Süd Einsatz»;
- Erik Keller, Geschäftsleiter Comundo.
Markus Mugglin, Ökonom, Autor und ehemaliger «Echo der Zeit»-Macher, hat das Podium moderiert.
«Geberländer» und «Empfängerländer» - ein Modell von gestern?
Insbesondere stand dabei die Frage im Raum, ob die klassische Aufteilung zwischen «Geberländern» und «Empfängerländern» definitiv ausgedient hat und ob «horizontale» Modelle – wie eben Süd-Süd-Einsätze – eine Perspektive für die Zukunft sind.
Juan Jacobo Tancara sieht es als dringlich, dass in Lateinamerika nachhaltige und friedliche Süd-Süd-Zusammenarbeit aufgebaut wird, sowohl zivilgesellschaftlich wie auch auf Regierungsebene. Für Bernd Nilles ist dabei insbesondere die internationale Vernetzung ein perspektivenreicher Ansatz für zukünftige Süd-Süd-Kooperationen.
Nord-Süd Divergenzen im SDG16
Gemäss Bernd Nilles bestehe in der Schweiz eine Ambivalenz, wenn die Schweizer Internationale Zusammenarbeit sich in Staaten des Südens gegen den «Shrinking Space of Civil Societies» einsetze, im eigenen Land hingegen den Entwicklungs-NGOs Einschränkungen auferlegt werden.
- In diesem Sinne auch die Ambivalenz aus Südsicht: So kritisierte Juan Jacobo Tancara die Menschenrechtspolitik der chilenischen Regierung, die einerseits linksautoritäre Regime in Lateinamerika verurteilt, andererseits beste Wirtschaftsbeziehungen zur VR China pflegt.
- Ruth Huber hebt eine weitere Herausforderung hervor: Während vor 25 Jahren noch eine Mehrzahl Europäer und Europäerinnen im Einsatz waren, sind das heute vielfach nationale Fachleute. Zudem arbeitet die DEZA über Beiträge oder Mandate direkt mit nationalen oder internationalen Organisationen zusammen und baut kaum mehr eigene Projektstrukturen auf. Einerseits hat der Süden dank fachlicher Kompetenzen eine stärkere Rolle, andererseits bestehe eine Diskrepanz bezüglich Methoden, die weiterhin vom Norden definiert werden. Zur Behebung dieser Diskrepanz sind intermediäre Institutionen und Netzwerke notwendig, um im Bereich Rechenschaft Kompetenzen aufzubauen – dazu wären entsprechende Ressourcen freizumachen.
- Ruth Huber betont die wechselseitig ergänzende Rolle von DEZA und den Entwicklungs-NGO insbesondere in fragilen und autokratischen Regionen: Wenn der DEZA aus politischen Gründen die Hände gebunden seien, haben zivilgesellschaftliche Entwicklungsakteure wirksameren Zugang.