Eine indigene Stimme an der Uno in Genf
Juristin und Comundo-Fachkraft Laura Kleiner begleitete das Volk der "Je’eruriwa" in Kolumbien im Rahmen ihres Einsatz. Sie unterstützte eine Partnerorganisation, die rechtliche und psychosoziale Begleitung für Konfliktopfer anbietet. Vom 12. bis 18. Juli 2025 wird Laura Kleiner von Ipurepi begleitet, einem indigenen Führer, welche die Rolle einer traditionellen Autorität der Je’eruriwa inne hat. Gemeinsam besuchen sie erneut das Expertengremium für die Rechte indigener Völker der Vereinten Nationen in Genf.

Comundo: Laura Kleiner, letztes Jahr hast du eine indigene Delegation zum Expert*innengremium der UNO in Genf begleitet, zu der auch Ipurepi gehörte. Welche Folgen hatte das?
Laura Ann Kleiner: Die Ankunft dieser Delegation war ein Wendepunkt. Während der Sitzung des UN-Expertinnengremiums trafen wir auf Anwältinnen, Sonderberichterstatterinnen sowie kolumbianische Richterinnen der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden. Zusammen mit der Nationalen Kommission für indigene Länderechte trugen sie zur Dokumentation der Situation des Je’eruriwa-Volkes bei und ebneten so den Weg für juristische und politische Maßnahmen. Anfang 2025 hat das Verfassungsgericht den Fall erneut geprüft und eine Verfassungsbeschwerde zugelassen.
Für welche Anliegen setzt sich das Je’eruriwa-Volk heute ein?
Laura: Das Je’eruriwa-Volk kämpft seit Jahren dafür, dass der kolumbianische Staat endlich die Gewalt anerkennt, die es während des bewaffneten Konflikts erlitten hat. Bis vor Kurzem wurde ihnen der Opferstatus nicht anerkannt – dabei wurden sie gewaltsam vertrieben, haben ihr Land verloren, ihr kulturelles Erbe wurde zerstört und ihr spirituelles sowie soziales System teilweise zerschlagen. Sie fordern, als indirekte Opfer dieses Konflikts anerkannt zu werden und verlangen vom Staat eine Wiedergutmachung für das erlittene Unrecht. Eng damit verbunden ist ihr zweites Anliegen: ein Stück Land zu erhalten, auf dem sie sich niederlassen, überleben und in Einheit sowie im Einklang mit ihrer Kultur, ihren Bräuchen und spirituellen Praktiken leben können.
Kürzlich wurde ein großer Schritt erreicht. Kannst du uns mehr darüber erzählen?
Laura: Am 11. Juni 2025 haben wir den Prozess gewonnen! Das ist ein starkes Urteil: Das Verfassungsgericht Kolumbiens hat die Opferbehörde angewiesen, die Je’eruriwa-Gemeinschaft als Subjekt kollektiver Wiedergutmachung anzuerkennen. Das bedeutet, dass der Staat offiziell die schweren Menschenrechtsverletzungen anerkennt, die sie seit 1986 erlitten haben, und sich verpflichtet, einen Rehabilitationsprozess einzuleiten. Das Gericht erkannte auch an, dass die Opferbehörde über sieben Jahre hinweg Argumentationslinien verfolgte, die die Rechte indigener Völker verletzten – insbesondere das Recht auf kulturelle Identität, das Recht auf Wiedergutmachung und das Recht auf ein faires Verfahren.
Welche konkreten Formen könnte diese Wiedergutmachung annehmen?
Laura: Die Wiedergutmachungsprogramme umfassen verschiedene Bereiche. Für die Je’eruriwa sind die konkreten Maßnahmen noch nicht definiert, aber es könnte zum Beispiel ein städtischer Zufluchtsort entstehen – ein Ort, an dem sich vertriebene Gemeindemitglieder treffen und nach ihrer Kultur leben können. Der wichtigste Bedarf ist jedoch Land. Die Je’eruriwa leben in enger Verbindung mit der Natur und brauchen ein Territorium zum Jagen, Fischen und zur Selbstversorgung im Einklang mit ihrer Kultur – auch für den Anbau von Heilpflanzen. Außerdem sollen indigene Gesundheits-, Bildungs- und Justizsysteme aufgebaut werden. Ein zentraler Punkt ist die Bildung: Es soll ein Programm zur Weitergabe der Sprache an die Kinder eingerichtet werden. Heute zählt die Gemeinschaft nur noch rund hundert Personen. Das gemeinsame Leben ist entscheidend für ihr kulturelles Überleben.
Kann man sagen, dass Kolumbien gleichzeitig essenziell und problematisch ist?
Laura: Ja. Kolumbien ist zwar groß, aber die verfügbaren Gebiete sind oft bereits von anderen ländlichen Gemeinschaften bewohnt, die diese Ressourcen ebenfalls dringend benötigen. Die Landfrage ist also komplex. Aber der gewonnene Prozess verleiht ihrer Forderung nun deutlich mehr Gewicht: Es ist keine isolierte Forderung mehr, sondern eine rechtliche Verpflichtung für den Staat. Erwähnenswert ist auch, dass Ipurepi im November 2024 an der COP16 in Cali teilgenommen hat. Dort erinnerte er an den entscheidenden Beitrag indigener Völker zum Schutz des Amazonasgebiets und zur Erhaltung der Biodiversität.
Was bedeutet Ipurepis Anwesenheit dieses Jahr in Genf?
Laura: Seine Teilnahme an der UNO-Sitzung zu den Rechten indigener Völker ist ein entscheidender Moment. Dort wird er die Stimme seiner Gemeinschaft zu zentralen Themen erheben: restorative Gerechtigkeit, Schutz heiliger Territorien und kulturelle Souveränität. Seine Anwesenheit – unterstützt von Incomindios und Comundo – ist ein kraftvoller Appell zur Anerkennung und zum echten Zuhören der indigenen Wissenssysteme, in einem Moment, der für die Menschenrechte und das ökologische Gleichgewicht der Welt von entscheidender Bedeutung ist.
Interview mit Laura Kleiner, Juristin und Comundo-Fachperson